Globale Institutionen für Steuergerechtigkeit - Der UN-Generalsekretär stellt seine Empfehlungen vor

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Von Bodo Ellmers

Nach wie vor gehen Ländern weltweit jedes Jahr fast 500 Milliarden US-Dollar durch Steuerhinterziehung und globalen Steuermissbrauch verloren. Auf Ersuchen der UN-Mitgliedstaaten hat der UN-Generalsekretär Anfang August seinen Bericht über die "Förderung einer umfassenden und wirksamen internationalen Steuerzusammenarbeit bei den Vereinten Nationen" vorgelegt. Der Bericht schlägt eine umfassende Verbesserung der internationalen Steuerarchitektur vor. Im besten Fall könnte die klaffende Regulierungslücke, die durch das Fehlen inklusiver Institutionen mit universeller Mitgliedschaft für die Festlegung von Steuernormen entsteht, bald durch ein UN-Rahmenkonvention über internationale Steuerkooperation geschlossen werden. Aktivist*innen für Steuergerechtigkeit in aller Welt begrüßten den Bericht und fordern die UN-Mitgliedstaaten auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen.

Steuern - eine schwache Säule der Entwicklungsfinanzierung

Die Mobilisierung von Steuereinnahmen kann theoretisch die produktivste Quelle der Entwicklungsfinanzierung sein. Doch massive Steuerhinterziehung verhindert, dass sie ihr volles Potenzial entfalten kann. Die katastrophale Lage bedeutet, dass Regierungen in aller Welt, vor allem aber im globalen Süden, weniger in die öffentlichen Dienstleistungen und Infrastrukturen investieren können, die zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung erforderlich sind. Sowohl die neue Welle der Austeritätspolitik als auch die sich ausbreitenden Schuldenkrisen sind eine direkte Folge der Unfähigkeit, hinreichende Steuereinnahmen zu erzielen.

Bereits im Jahr 2021 schätzte der Bericht der Hochrangigen Gruppe für finanzielle Rechenschaftspflicht, Transparenz und Integrität (High-Level Expert Group on Financial Transparency, Accountability und Integrity, FACTI) der Vereinten Nationen die Verluste durch illegale Finanzströme auf 500 Mrd. USD jährlich. Der Großteil davon entsteht durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung.

Jüngste Untersuchungen des Tax Justice Network (TJN) bestätigen diese Zahlen. Laut TJN gehen der Welt jährlich 472 Mrd. USD allein durch globalen Steuermissbrauch verloren, wovon 301 Mrd. USD auf die Praxis multinationaler Unternehmen zurückzuführen sind, ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, und die restlichen 171 Mrd. USD auf reiche Menschen, die ihr Vermögen in Offshore-Finanzzentren lagern und damit der Besteuerung entziehen.

Um diese Probleme anzugehen, hatte bereits das FACTI-Expertengremium empfohlen, die Aushandlung einer UN-Steuerkonvention empfohlen. Im Oktober 2022 brachte Nigeria - mit solider Unterstützung anderer UN-Mitgliedstaaten und insbesondere der Afrika-Gruppe bei den Vereinten Nationen - bei der UN-Generalversammlung den Resolutionsentwurf für eine "UN Konvention über die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich". Bei den Verhandlungen über die Resolution wurde jedoch deutlich, dass einige Mitgliedstaaten einen vorsichtigeren Ansatz bevorzugten. Die endgültige Resolution 77/244 der UN-Generalversammlung ging daher einen Schritt zurück, verzichtete auf einen ausdrücklichen Verweis auf eine Konvention und forderte den Generalsekretär auf, einen Bericht zu erstellen, der den derzeitigen Stand der steuerlichen Zusammenarbeit analysiert und die nächsten Schritte skizziert.

Teilnahme als Recht, nicht als Privileg

Der jetzt vorliegende Bericht des Generalsekretärs legt großen Wert auf die Förderung der "Inklusivität und Effektivität der internationalen Steuerzusammenarbeit in inhaltlicher und verfahrenstechnischer Hinsicht", wie es in der Zusammenfassung heißt. Er verweist auf die internationale Vereinbarung, die auf der Dritten Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba 2015 getroffen wurde, dass "die Bemühungen in der internationalen Steuerzusammenarbeit in Ansatz und Umfang universell sein sollten."

Dieses Versprechen wurde in den acht Jahren, die seit dem Gipfel von Addis Abeba vergangen sind, nicht eingelöst, mit fatalen Folgen für die gesamte Agenda für nachhaltige Entwicklung, die mit dem in Addis Abeba vereinbarten Aktionsplan finanziert werden sollte. In der Zwischenzeit wurden unter der Führung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stückweise Reformen durchgeführt. Wie der Bericht des Generalsekretariats feststellt, haben diese jedoch sowohl in Bezug auf die Inklusivität als auch auf die Effektivität den Test nicht bestanden.

Was die Inklusivität betrifft, so weist der Bericht darauf hin, dass die OECD nur 38 Mitgliedstaaten hat, die meisten davon aus der Kategorie der Hocheinkommensländer. Das bedeutet, dass die große Mehrheit der 193 UN-Mitgliedstaaten keinen Sitz am Verhandlungstisch hat und ganze Länderkategorien wie die am wenigsten entwickelten Länder (46 Länder) überhaupt keine Stimme haben. Die OECD hat einen "Inclusive Framework" eingerichtet, um die Teilnahme von Nichtmitgliedern an OECD-geführten Prozessen zu ermöglichen, und inzwischen sind 126 UN-Mitgliedstaaten beigetreten. Allerdings konnten die Länder nur unter der Bedingung beitreten, dass sie frühere OECD-Vereinbarungen umsetzen, die ihren eigenen nationalen Bedürfnissen und Interessen abträglich waren. Und kritische Beobachter*innen haben festgestellt, dass der IF in einer Weise funktioniert, die Nicht-OECD-Mitglieder benachteiligt.

Die Verfahrensmängel spiegeln sich auch in den Ergebnissen wider. Ein kürzlich geschlossenes Abkommen über die Unternehmensbesteuerung - das so genannte Zwei-Säulen-Abkommen - ist so konzipiert, dass es den Ländern des globalen Südens keine wesentlichen zusätzlichen Einnahmen bringen dürfte. Das Zwei-Säulen-Abkommen ist zwar so angelegt, dass es die Heimatländer der großen Unternehmen im globalen Norden begünstigt, aber auch im Norden werden keine großen Einnahmen erwartet. Es ist also nicht effektiv, wenn es darum geht, das Problem der 500 Milliarden Euro Verluste an Steuereinnahmen pro Jahr anzugehen.

Nach Analyse des Status Quo kommt der Bericht des Generalsekretärs zu dem Schluss: "Im Geiste der Addis-Agenda erfordert eine integrative und wirksame internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich, dass alle Länder in der Lage sind, von Rechts wegen und ohne Vorbedingungen effektiv an der Entwicklung der sie betreffenden Regeln mitzuwirken."

Auf dem Weg zu einer wirksamen globalen Steuerarchitektur

Im Folgenden stellt der UN-Generalsekretär drei Optionen vor, die die Mitgliedstaaten vorantreiben können: 

- Eine multilaterale Konvention über Steuern

- Eine Rahmenkonvention über die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich

- Ein Rahmen für die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich

Die ersten beiden Optionen sind die ehrgeizigeren Governance-Innovationen. Denn für die Länder, die die Konventionen ratifizieren, sind sie rechtsverbindlich. Eine multilaterale Konvention wäre ein eher statischer Rechtsrahmen zur Verbesserung und Regulierung der internationalen Zusammenarbeit im Steuerbereich. Der Anwendungsbereich müsste von den Mitgliedstaaten festgelegt werden und hängt von dem gemeinsamen Nenner ab, den die Vereinten Nationen finden können.

Das Rahmenübereinkommen wiederum, so der Generalsekretär, würde ein "internationales System der Steuergovernance" schaffen. Das berühmteste bestehende Beispiel ist die UNFCCC – die Rahmenkonvention der Vereinten Nationen zum Klimawandel. Ähnlich wie die UNFCCC könnte auch hier eine Rahmenkonvention ein "Plenarforum für Diskussionen zwischen den Staaten schaffen, das mit der Autorität ausgestattet ist, weitere normative Instrumente zu verabschieden, denen die Staaten dann beitreten könnten". Dies entspricht den Konferenzen der Vertragsparteien (COPs), also den jährlichen UN-Klimagipfeln, die die internationale Klimapolitik kontinuierlich weiter entwickeln.

Ein entscheidender Vorteil einer Rahmenkonvention ist daher, dass sie einen dynamischen Rahmen schafft. Im Laufe der Zeit können verschiedene Protokolle hinzugefügt werden, so dass der Umfang der internationalen steuerlichen Zusammenarbeit schrittweise erweitert werden kann und auch neue Herausforderungen in der globalen Steuerpolitik angegangen werden können, wenn sie entstehen. Aus diesen Gründen genießt die Idee eines Rahmenübereinkommens die meiste Unterstützung von unabhängigen Steuergerechtigkeitsaktivist*innen, wie beispielsweise die Medienreaktionen von TJN und Eurodad auf den Bericht des Generalsekretärs bestätigen.

Ein Risiko besteht jedoch darin, dass die Möglichkeit, weitere Abkommen zu einem späteren Zeitpunkt hinzuzufügen, die Mitgliedstaaten dazu verleiten könnte, die notwendigen Schritte nicht jetzt zu unternehmen, sondern aufzuschieben. Das Zögern einiger Mitgliedstaaten, der Resolution zur UN-Steuerkonvention zuzustimmen, als dieser im vergangenen Jahr auf der Tagesordnung stand, hat bereits zu einer unnötigen Verzögerung von einem ganzen Jahr geführt.

Der Preis für dieses Zögern waren 500 Milliarden US-Dollar an entgangenen Steuereinnahmen für die öffentlichen Kassen in der ganzen Welt und ein entsprechendes Geldgeschenk für Unternehmen und private Personen, die Steuern hinterziehen. Dies ist ein Betrag in der Größenordnung des SDG-Konjunkturpakets der Vereinten Nationen, das weithin als der letzte Strohhalm der internationalen Gemeinschaft zur Rettung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung angesehen wird.

Eine neue Resolution zu einer UN-Steuerkonvention wird von einem oder eine Gruppe von UN-Mitgliedstaaten voraussichtlich noch vor Ende des Jahres vorgelegt werden.