UN Financing for Development Forum 2022

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Bild UN Treaty
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Die Debatte zu Entwicklungsfinanzierung in Zeiten multipler Krisen

Nach zwei Jahren virtueller WhatsApp-Diplomatie fand das Financing for Development (FfD) Forum der Vereinten Nationen dieses Jahr erstmalig wieder in Präsenz am UN-Hauptsitz in New York statt.  Die Anforderungen waren hoch. Kaum scheint die Coronakrise abzuklingen, sind neue Herausforderungen wie Zinsschocks und massive Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln aufgetreten, die besonders in Ländern des globalen Südens verheerende Auswirkungen haben.

Bereits im Vorlauf des Forums hatte der neue Financing for Sustainable Development Report der UN klargemacht, dass Entwicklungsländer nicht über hinreichend fiskalische Spielräume verfügen, um angemessen auf die permanenten Krisen zu reagieren und gleichzeitig die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Daher sind sie in ihrer Entwicklung weit zurückgeworfen worden. Auch die Zahl der extrem Armen hat zugenommen. Das Forum hat viele relevante Aspekte angesprochen, aber wenig handfeste Entscheidungen getroffen. Der Druck zur Einberufung einer neuen Weltkonferenz zur Entwicklungsfinanzierung auf Ebene der Staats- und Regierungschef*innen wächst.

Ungleiche Präsenz der Mitgliedstaaten

Das Ausmaß der Beteiligung beim war sehr unterschiedlich. Unter den größeren europäischen Ländern waren besonders Spanien und Schweden stark vertreten. Spaniens Regierungschef Sánchez intervenierte per Video, und wurde vor Ort durch eine große Delegation unterstützt. Spanien, das weder Mitglied der G7 noch der G20 ist, aber enge Beziehungen zum Globalen Süden und besonders zu Lateinamerika pflegt, wird bereits als Gastland-Geheimtipp für die vierte FfD-Weltkonferenz gehandelt, zumindest wenn die derzeitige Regierung über die nächsten Wahlen hinaus im Amt bleibt.

Deutschland war dieses Jahr zwar mit Diplomaten aus der Ständigen Vertretung in New York präsent, hat beim Forum aber kein einziges Mal interveniert. Es heißt, es habe kurzfristig Absagen seitens der Führungsebene des Entwicklungsministeriums gegeben. Dies ist natürlich ein wenig peinlich, wenn nicht gar ein diplomatischer Affront, in Anbetracht der Relevanz und Dringlichkeit, die gerade die Partnerländer aus dem Globalen Süden den Debatten und der Entscheidungsfindung zu Fragen der Entwicklungsfinanzierung im Rahmen der UN beimessen. Vertreter aus China oder Russland waren beim FfD Forum dagegen sehr aktiv. Noch in der Vorwoche waren sowohl Finanzminister Lindner als auch Entwicklungsministerin Schulze bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im nicht weit entfernten Washington DC.          

Auch aus dem globalen Süden waren zahlreiche hochrangige Vertreter*innen involviert. Besonders hervorgehoben hat sich Malawi, dessen Vizepräsident in Präsenz Vorort sowohl für die Afrikagruppe als auch für jene der Least Developed Countries sprach – mit starkem Statement zu besonders dringenden Schuldenstreichungen. Das Wort cancellation wird von europäischen und anderen G20-Vertreter*innen weiterhin nicht in den Mund genommen und schon gar nicht implementiert, weshalb sich die Schuldenberge im Globalen Süden immer bedrohlicher auftürmen.  

Die neue Schuldenkrise als heißes Thema

Die Schuldenproblematik war dann auch ein beherrschendes Thema in den Verhandlungen zum Ergebnisdokument und bei den Debatten auf dem Forum selbst. Noch wenige Tage vor dem Forum wurde die Annahme des Ergebnisdokument mittels silent procedure nochmal gestoppt. Laut UN-Flurgeflüster hatte sich China dagegen gewehrt, dass im Verhandlungsentwurf des Dokuments auf die ungleiche Beteiligung bilateraler Gläubiger am „Common Framework for Debt Treatments“ der G20 eingegangen wurde. Westliche Staaten sind der Ansicht, China würde sich nicht offen genug für Konzessionen bei bilateralen Schuldenerlassen zeigen. China wiederum fordert die Beteiligung der westlich dominierten Weltbank und der–  überwiegend westlichen – privaten Gläubiger an Schuldenerlassen und hat dieses Anliegen beim Forum auch kommuniziert. 

Die Entwicklungsländer wollen einfach nur Fortschritte beim Schuldenerlass sehen. Daher hat der Rest der G77, der Gruppe der Entwicklungsländer bei den Vereinten Nationen, den Bruch der silent procedure auch nicht mitgetragen, was äußerst ungewöhnlich ist. Im Ergebnisdokument wird nun zumindest zugesagt, zahlreiche Verbesserungen am bislang wirkungslosen Common Framework vorzunehmen, und Prozesse hin zu mehr Schuldentransparenz und verantwortlicherer Kreditvergabe zu stärken.

Druck zur Umverteilung von IWF-Sonderziehungsrechten

Ein anderes bedeutendes Thema beim diesjährigen Forum war die Umverteilung der Sonderziehungsrechte, der Reservewährung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Letztes Jahr wurden SZR im Wert von 650 Milliarden US-Dollar seitens des IWF ausgeschüttet, mit dem erklärten Ziel gerade jenen Ländern frische Liquidität zuzuführen, die sie am dringendsten brauchen. Wegen der Ausschüttung nach Quote ging der Großteil der SZR jedoch an die reichen G7-Staaten, während bei der Gruppe der Low Income Countries insgesamt nur 3 Prozent ankamen.

Entwicklungsländer fordern seither vehement die Umverteilung der SZR, auch wieder beim FfD Forum. Seitens reicher Länder kommen tröpfchenweise Zugeständnisse. Kanada und Spanien kündigten beim Forum die Abgabe eines Teils ihrer SZR-Allokation an. Genutzt wird dabei vorwiegend der brandneue „Resilience and Sustainability Trust“ des IWF, der eine Woche vor dem FfD Forum bei der IWF-Frühjahrstagung verabschiedet wurde. NGOs drängten auf mehr und schnellere Umverteilung und forderten, dass dabei der Charakter der SZR als eine Ressource, die keine Schulden schafft und ohne politische Konditionen kommt, erhalten bleibt. Das ist bei Verwendung des RST nicht der Fall. Zudem forderten NGOs, dass zukünftige Allokationen nicht mehr nach IWF-Quote sondern nach Bedarf verteilt werden, damit die SZR effektiv dort wirken können, wo sie gebraucht werden.                     

Mehr private oder mehr öffentliche Gelder für nachhaltige Entwicklung

Aus der breiteren Themenpalette des Ergebnisdokuments stechen Sustainable Finance und Steuerkooperation als weitere Themen hervor. Sustainable Finance, also die Mobilisierung privater Investitionen für SDG-relevante Zwecke, ist weiterhin das Lieblingskind der EU, wie auch aus dem Statement der Europäischen Union hervorging. Im Ergebnisdokument wird erstmals auf Instrumente wie SDG-Anleihen eingegangen.

Aus dem Globalen Süden werden dagegen die Rufe immer lauter, bei der Setzung globaler Steuerabkommen nicht weiter umgangen und benachteiligt zu werden, damit mehr öffentliche Gelder mobilisiert werden können. Die Afrikagruppe forderte auch bei diesem Forum eine UN-Steuerkonventionen (UN Tax Convention). Diese würde universale Mitgliedschaft haben und könnte unter anderem eine faire Verteilung von Besteuerungsrechten unter den UN-Mitgliedsstaaten regeln. Ein konkreter Vorschlag für die Ausgestaltung einer UN-Steuerkonvention wurde beim Forum von NGO-Seite vorgelegt. Bei einem side-event, das Global Policy Forum gemeinsam mit Friedrich-Ebert-Stiftung und anderen NRO-Partnern organisiert hatte, wurde es erstmals von Diplomat*innen und Expert*innen diskutiert, und die Chancen seiner Realisierung wurden ausgelotet.

FfD 4: Die nächste Weltkonferenz zur Entwicklungsfinanzierung

Realisierung bleibt weiterhin das große Problem des FfD-Prozesses. Auch das diesjährige FfD-Forum hat viele relevante Themen angesprochen, aber wenige konkrete Entscheidungen gefällt. Der Druck zur Einberufung einer neuen Weltkonferenz zur Entwicklungsfinanzierung auf Ebene der Staats- und Regierungschefs wächst daher. Im Entwurf des Ergebnisdokuments war das Jahr 2024 als Datum für „FfD4“ explizit eingegeben. Zwanzig Jahre nach Beginn des FfD-Prozess auf dem Gipfel in Monterrey wäre es die vierte Weltkonferenz zur Entwicklungsfinanzierung. Die EU hat sich informell positiv dazu positioniert.

In Europa wächst die Einsicht, dass die Agenda 2030 ohne Fortschritte bei FfD-Themen nicht mehr zu retten ist. Allerdings war die G77 beim diesjährigen FfD Forum noch nicht dazu bereit, einen konkreten Termin und ein Mandat für FfD4 zu setzen. Die UN-Generalversammlung im September wurde beauftragt, sich der Angelegenheit anzunehmen. In Anbetracht der multiplen Kristen fehlt es weder an Dringlichkeit noch an Themenfeldern für FfD4. Collen Vixen Kelapile, der Vorsitzende des diesjährigen FfD Forums, erinnerte die Teilnehmenden daran, beim Thema FfD nicht locker zu lassen: „The situation is dire.  Although we have reached the end of the forum, our work has just begun.”